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03.11.2024

Pastoral mit der Maurerkelle: 75 Jahre Werkvolksiedlung

Die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner packten mit an. Aufnahme aus Schwabach von 1949.

Eichstätt/Schwabach - Verschleppte Genehmigungsverfahren, exorbitante Bauvorschriften – wen wundert es, dass es vor kurzem hieß „Bundesregierung verfehlt Wohnungsbauziel deutlich“. Umso bemerkenswerter erscheint es, wie zupackend, ja hemdsärmelig die Kirche vor einem Dreivierteljahrhundert sozialen Wohnungsbau stemmte und nach dem Krieg dafür sorgte, dass heimatlos Gewordene und Geflüchtete wieder ein Dach über dem Kopf bekamen. Zum Beispiel in der Werkvolksiedlung Schwabach, deren Grundsteinlegung durch den damaligen Eichstätter Bischof Dr. Josef Schröffer sich am 17. September zum 75. Mal jährte. Für die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Schwabach/Neumarkt bietet das Jubiläum Anlass zur Rückschau auf eine Zeit, als vielerorts im Bistum Bau- und Siedlungsorganisationen auf Dekanats- oder Pfarrebene entstanden, die 1954 schließlich im diözesanen St.-Gundekar-Werk vereint wurden.

Zu den Anfängen der Schwabacher Siedlung wird gerade eine kleine Ausstellung vorbereitet, die ab 10. November im Gemeindezentrum von St. Peter und Paul zu sehen ist. Treffen mit Zeitzeugen haben bereits stattgefunden, wie Dr. Otto Böhm berichtet. Der ehrenamtliche KEB-Mitarbeiter war vom Schwabacher Dekanatsreferenten Georg Brigl auf die katholischen Wohnungsbauaktivitäten nach dem zweiten Weltkrieg aufmerksam gemacht worden. In der Rückschau – mitinitiiert von Gabriele Gottfried, Dekanatsratsvorsitzende im Dekanat Roth-Schwabach – gehe es nicht nur darum, Bautätigkeit zu bilanzieren, sondern vor allem darum, Lebensgeschichten greifbar zu machen, sagt Böhm.

Pfarr-Acker wird zu Bauland

Wo sollten die fast zwei Millionen Heimatvertriebenen, die nach dem zweiten Weltkrieg nach  Bayern gekommen waren, Unterschlupf finden? Diese Frage beschäftigte nach 1945 auch Bischöfe wie etwa den damaligen Würzburger Oberhirten Julius Döpfner, der 1949 den legendären Spruch prägte: „Wohnungsbau ist heute in Wahrheit Dombau“. In der Diözese Eichstätt entstand um diese Zeit eine Baugenossenschaft nach der anderen: So gründete das Katholische Werkvolk (die spätere KAB) mit engagierten Ortspfarrern Siedlungswerke in Heilsbronn, in Schwabach und in Nürnberg-Eibach, in Eichstätt gründete Kolping eine Bau- und Siedlungsgenossenschaft, in Neumarkt entstand die Baugenossenschaft Caritas. In Ingolstadt ergriff die Pfarrei St. Moritz die Initiative, aus Neukirchen im Nordosten der Diözese ist ebenfalls Bautätigkeit überliefert. Das Bischöfliche Ordinariat gewährte Zwischenkredite, der St. Willibaldsbote bat die Gläubigen um Solidarität und bewarb Aktionen wie  „Pfennigsparen“ und Pfandbrieferwerb.

In Schwabach hatte sich die Zahl der Katholiken, die 1940 noch unter 4.000 gelegen war, mehr als verdoppelt, als Johann Georg Uebler 1946 dort Stadtpfarrer wurde. „Die zahlreichen Flüchtlinge leben häufig in katastrophalen Wohnverhältnissen“, heißt es in einer Beschreibung seines neuen Wirkungsfelds, wo er nicht nur das Gottesdienstangebot ausweitete, sondern auch den Wohnungsbau vorantrieb. Dazu wurde das einzige Grundstück der Pfarrei, ein Acker, zur Hälfte als Baugrund ausgewiesen. „Nach einem Gottesdienst am 5. September 1949 ging es auf den Bauplatz mit Pickel und Schaufel“, notierte der Pfarrer. „Von früh 7 Uhr bis spät abends wurde eine ganze Woche lang von freiwilligen Helfern und Helferinnen – Kolping-und Werkvolkmitglieder waren dabei – der Baugrund ausgehoben“.

Erinnerungen an die Anfänge

An Heilligabend 1949 wurde die erste Wohnung bezogen. Bis 1954 baute die Werkvolk-Baugenossenschaft Schwabach 267 Wohnungen, die bis 1969 alle in Privateigentum überführt wurden.

Auch die Eltern von Rudi Rodenbücher erwarben Mitte der 1960er-Jahre die 53 Quadratmeter große Wohnung in Schwabach, in die sie in den Nachkriegsjahren gemeinsam gezogen waren, wenn auch nicht allein. Seine Großeltern und ein Onkel mit Frau hätten zunächst ebenfalls dort gewohnt, bis sie eine eigene Bleibe fanden, erinnert sich Rodenbücher. Der 71-Jährige löst gerade die Wohnung auf, in der er seine Kindheit und Jugend verbracht hat. Seine Mutter, die zuletzt allein dort lebte, ist ins Seniorenheim gezogen. In 70 Jahren, „da hat sich einiges angesammelt“,  sagt Rodenbücher, der sich für die KEB-Veranstaltung als Zeitzeuge zur Verfügung gestellt hat. Die alten Unterlagen aus der Entstehungszeit der Siedlung, die alten Verträge, all diese Dokumente hatten seine Eltern sorgfältig aufbewahrt. Das Erbbaurecht läuft noch 24 Jahre.

Rodenbüchers Vorfahren waren Donauschwaben, die aus dem ungarischen Ort Nemetker kamen und nach der Flucht die größte geschlossene Gruppe Vertriebener in Schwabach bildeten. Die haben sich von früher gekannt und im Werkvolk alle wieder zusammengefunden“, erzählt der 71-Jährige, dessen Onkel Rudi 1967 erster Pfarrer der neugegründeten, zweiten Schwabacher Pfarrei St. Peter und Paul wurde. Wenn Rodenbücher an seine Kindheit in der Werkvolksiedlung zurückdenkt, fallen ihm spontan die vielen, vielen Spielgefährten ein. Hinter seinem Elternhaus hätten sich in seiner Kindheit noch Gärten erstreckt. „Heute ist alles bebaut. Auch das Altenheim St. Willibald, in dem meine Mutter jetzt lebt, wurde dort errichtet“.

Wohnraum für Bitterarme

Heinz Schönecker, ebenfalls KEB-Zeitzeuge, fallen so manche wilden Streiche ein, die er in seinem Wohnblock verübte: Kracher ins Treppenhaus werfen, Nachbars Kohlrabi aus dem Beet reißen. Ein richtiger Lausbub sei er gewesen, lacht der 84-Jährige, um dann wieder ernst zu werden: „Wir haben 1952 eine Wohnung bekommen, im letzten Block. Wir waren so arm, wir hätten nirgends anders etwas gekriegt“. Vier Jahre hatte die Familie zuvor in einem Lager in Schwabach-Vogelherd gelebt, zeitweise mit 40 Leuten im selben Raum. Der Vater war in dieser Zeit an TBC verstorben. Anders als die meisten Bewohner der Werkvolksiedlung, kamen die Schöneckers nicht aus Nemetker, sondern aus dem Sudetenland. Außenseiter gewissermaßen, doch mit gemeinsamer Glaubensidentität: „Die waren Kirchgänger, und wir auch“. Als Erwachsener baute Schönecker für sich und seine Familie ein eigenes Haus in Büchenbach. Kirchlich aber, sagt er, sei er noch immer stark verwurzelt in Schwabach.

Dort befindet sich bis heute auch der Hauptsitz des St.-Gundekar-Werks, das nach 1954 weiter rege Bautätigkeit entfaltete, bis sich schließlich von den 1970er-Jahren an neue Schwerpunkte ergaben: Bestandssanierung, Betreutes Wohnen, Studentenheime, Mehrgenerationenhäuser. Im neuesten Jahresbericht verweist Geschäftsführer Manfred Bücherl auch auf die Notwendigkeit nachhaltigen, klimagerechten Bauens. Aber auch das Thema „Unterbringung von Flüchtlingen“ hat traurige Aktualität: 2022 vermietete das St.-Gundekar-Werk der Stadt Schwabach zwei Wohngebäude zur Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge und spendete die Mieteinnahmen für soziale Zwecke, vom örtlichen Asyl-Café über die Tafel bis zur Familien- und Altenhilfe.

Gabi Gess für [inne]halten – Die Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt

 

Gottesdienstzeiten

Heilige Messen in Schwabach

Samstag
Penzendorf 18.30 Uhr

Sonntag
St. Sebald 9.00 Uhr
St. Peter und Paul 10.00 Uhr und 19.00 Uhr
St. Sebald 10.30 Uhr
Eichwasen 10.30 Uhr (in den Sommerferien geschlossen)

Beichtgelegenheit

St. Sebald: Samstag 15.30 bis 16.30 Uhr Gelegenheit zum Seelsorgegespräch und zur Beichte

Anbetungszeit in Schwabach/St. Peter und Paul

Freitag 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr, außer in den Schulferien